Andi Schmidbauer schreibt für Sie:
Sage nicht »Ja«, wenn du »Nein« sagen willst ...
Geht es Ihnen auch manchmal so, dass Sie sich über sich selbst ärgern, weil Sie zu etwas zugestimmt haben – obwohl vielleicht eine innere Stimme schon »Nein« gesagt hat?
Oder hätten Sie gerne »Nein« gesagt – und Sie haben es sich nicht getraut?
Wie findet man eigentlich zu Entscheidungen, die auch langfristig für einen selbst stimmig sind?
Mir hat eine Übung in dieser Sache sehr weitergeholfen und ich möchte sie gerne mit Ihnen teilen.
Lassen Sie uns zunächst überprüfen, ob wir einige Grundannahmen teilen:
- Jedes »Ja« zu einer Handlung ist ein Versuch, dadurch zur Erfüllung von eigenen Bedürfnissen beizutragen.
- Jedes »Nein« zu einer Handlung ist in jedem Fall ein »Ja« zu den Bedürfnissen, die sich nicht erfüllen würden, wenn Sie »Ja« zu dieser Handlung sagen würden.
- Egal, wie Sie sich auch entscheiden, ob Sie »Ja« oder »Nein« sagen, Sie sagen in jedem Fall »Ja« zu einem Ihrer Bedürfnisse.
Stimmen Sie zu? Dann kann es weitergehen und diese kleine Denksportaufgabe möchte ich nicht ohne Beispiel lassen:
Rufen Sie sich jetzt eine konkrete Situation ins Gedächtnis, in der Sie zu etwas zugestimmt haben und dann erst hinterher gemerkt haben, dass Sie das lieber nicht gemacht hätten.
Haben Sie eine Situation?
Wie sind Sie darauf gekommen, dass die Handlung, die Sie gewählt hatten jetzt nicht mehr stimmig ist: Haben Sie sich plötzlich irgendwie unwohl gefühlt? Kamen Ihnen Gedanken in den Sinn, die vorher scheinbar nicht da waren?
Notieren Sie sich bitte Ihre Gedanken – möglichst wortwörtlich, so wie sie in Ihrem Inneren auftauchen. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit dafür.
Könnte es sein, dass diese Gedanken nicht besonders freundlich, sondern eher ärgerlich, harsch und abwertend klingen?
Das wäre durchaus nicht ungewöhnlich. Marshall Rosenberg nennt diese Art von Gedanken eine »Wolfsshow« – ein Sinnbild für die unschöne Art und Weise wie wir gewohnt sind, mit anderen Menschen und uns selbst umzugehen.
In diesen Gedanken finden Sie, mit ein klein wenig Übung, wichtige Hinweise auf das, was wirklich hinter Ihrem Ärger steckt: Ihre Bedürfnisse, die durch Ihre Zustimmung scheinbar auf der Strecke geblieben sind.
Wie geht das jetzt konkret?
Fragen Sie sich selbst: »Was ist in dieser Situation für mich zu kurz gekommen?«.
Vielleicht wären Sie gerne achtsam mit sich oder anderen gewesen? Oder vorausschauend?
Haben Sie möglicherweise Bedürfnisse wie Selbstbestimmung oder Rücksichtnahme aus Ihrem Blick verloren?
Sind eventuell Aufrichtigkeit oder Integrität Anliegen, die sich jetzt melden?
Notieren Sie sich Ihre Bedürfnisse.
Und wenn das so ist, wie geht es Ihnen emotional, wenn Sie jetzt daran denken, dass diese Bedürfnisse – für Sie wichtige Anliegen – zu kurz gekommen sind?
Sind dann vielleicht traurig, enttäuscht, ratlos oder resigniert?
Sind Sie noch auf sich oder das Gegenüber ärgerlich, oder stehen jetzt andere Gefühle im Vordergrund?
Mich hat die Erkenntnis, welche Bedürfnisse durch meine Entscheidung zu kurz gekommen sind, meist beruhigt – weil ich auf einmal verstanden habe, warum ich mit mir selbst so unzufrieden war.
Diese Klarheit hat mir dann im Weiteren geholfen, alternative Handlungsideen zu entwickeln.
Heute versuche ich vor einer Zustimmung kurz innezuhalten und mich zu fragen: »Was versuche ich mir damit zu erfüllen und was könnte – möglicherweise – durch die Zustimmung in Gefahr kommen?«.
So komme ich mir selbst Schritt-für-Schritt näher und treffe Entscheidungen, die auch langfristig für mich stimmig bleiben.
Vielleicht sind Sie jetzt motiviert dazu diese Übung einmal auszuprobieren?
Üer eine Resonanz Ihrerseits freue ich mich.
Andi Schmidbauer ist ebenfalls Autor von Beiträgen zu GFK und zu Mediation in Fachbüchern und Fachzeitschriften, zuletzt:
»(Nicht mehr) recht haben müssen – Erforschen der Gefühle und Bedürfnisse aus Sicht der GFK«, Beitrag in: Konflikte lösen in Teams und großen Gruppen S. 178-184 (managerSeminare Verlags GmbH, 2012).