Akademie Blickwinkel
 

Konflikte gibt es überall, im Geschäftsleben, in Beziehungen, in der Nachbarschaft. Hier ist unser Wissen gefragt und das geben wir auch gerne weiter, z. B. in Interviews. Hier für das Liborius Magazin aus einem Gespräch mit Andi Schmidbauer, das Rosina Wählischmiller mit ihm geführt hat.

Zoff am Zaun

Zoff am ZaunMit dem Nachbarn auszukommen ist nicht immer einfach. Aber es muss auch nicht immer gleich eine Feindschaft draus werden.

Nachbarn sucht man sich normalerweise nicht aus. Man be­kommt sie einfach. Und dann lebt man oft länger mit ihnen zu­sammen als mit den eigenen Kindern. Manchmal sogar Iebens­länglich. Im besten Fall werden die Wildfremden von nebenan zu Freunden, im schlimmsten Fall erbitterte Feinde. Dazwischen gibt es viele Schattierungen. Theresa Wagner kennt einige.

Die meisten Nachbarn vertragen sich

Etwa 15 Häuser stehen in »ihrer« Straße. Mit manchen Bewoh­nern ist sie befreundet, andere zählt sie zu den guten Bekannten. Dann gibt es noch die Leute, mit denen man bisweilen plaudert, und solche, die man grüßt, aber eigentlich nur vom Sehen kennt. Ihre unmittelbaren Nachbarn gehören in keine dieser Kategorien. »Wir schauen aneinander vorbei, wenn wir uns begegnen« erzählt die 50-Jährige, die vor 17 Jahren mit ihrem Mann und den beiden kleinen Kindern in eine Doppelhaushälfte vor den Toren Stuttgarts zog. Es war kurz vor Weihnachten, die Nachbarn, ein älteres Ehe­paar, hatten den Umzug gerade hinter sich. Sie schienen ganz in Ordnung zu sein. Man wechselte ab und zu ein paar Worte, an­sonsten gab es wenig Berührungspunkte. Es war Winter, das Le­ben spielte sich im Haus ab. Nichts sprach gegen eine verträgliche Nachbarschaft. Allen Doku-Soaps mit keifenden Nachbarn und allen Schlagzeilen über rabiate Zaunkriege zum Trotz ist eine gute Nachbarschaft immer noch die Normalität. Mehr als zwei Drittel der Deutschen haben ein sehr gutes bis gutes Verhältnis zu den Menschen, die neben ihnen wohnen, ergab eine aktuelle Umfra­ge der Apotheken-Rundschau. Ein weiteres Viertel bezeichnete den Umgang mit den Nachbarn als befriedigend, 4,3 Prozent als ausreichend. Knapp zwei Prozent beurteilten die Beziehung als schlecht bis sehr schlecht. Ist der Wurm erst einmal drin, bohrt und rumort es zwischen den Nachbarn oft so lange, bis ein friedliches Nebeneinander fast unmöglich wird. Der Münchner Mediator und Trainer Andi Schmidbauer ist dann manchmal die letzte Hoffnung beziehungsweise Rettung. Aus seinen Erfahrungen im Umgang mit Streithähnen weiß er: »Der vordergründige Streit hat immer tiefere Ursachen. Da geht es nicht um ein paar Zentimeter bei der Gartenhecke, sondern oft um Wertschätzung, Anerkennung und Respekt.« Gerade in ihrem Heim bräuchten die Menschen die Si­cherheit: »Ich kann hier sein und ich darf hier sein.« Wenn diese Bedürfnisse sich nicht erfüllen, müssten Handlungen als Blitzab­leiter herhalten. Es ist oft der Anfang vom Ende.

Zoff am ZaunDer Garten als Spielplatz oder Refugium der Ruhe

Schleichend fing der Ärger auch bei Theresa Wagner an. Der Som­mer kam, und das Leben fand nun im Garten statt. Die Nachbarn waren nur noch durch einen Zaun und eine kleine Holzwand auf der Terrasse getrennt. Jeder bekam alles mit, was nebenan vor sich ging. »Da prallten total unterschiedliche Lebensweisen und Interessen aufeinander« erzählt Theresa. Für ihre Kinder und de­ren Freunde war der Garten ein Spielplatz, das ältere Ehepaar wünschte ihn sich als Refugium der Ruhe und Erholung. »Sie leg­ten sich nachmittags um vier auf ihre Liegen und wollten schla­fen. Die Kinder wollten spielen und sich austoben.«

Negative Gefühle schaden einem auch selbst

Von drüben habe man dann wutentbranntes Zischen gehört und den lauten Knall der Terrassentüre, wenn sich die Nachbarn entnervt ins Haus verzogen. Eine Zeit lang habe sie die Kinder ständig ermahnt, erinnert sich Theresa, oder sie auch ins Haus beordert. Dadurch, dass sie dauernd auf den Geräuschpegel der Kinder und die Reaktion der Gegenseite achtete, sei aber keine ruhige Minute mehr für sie selbst geblieben. Irgendwann spielte sie nur noch »toter Mann« und vermied es, sich im Gar­ten blicken zu lassen. Trotzdem sei sie weiterhin freundlich zu den Nachbarn gewesen, die das mal erwidert, dann aber wieder mürrisch reagiert hätten. Über den Kinderlärm beschwerten sie sich nie offen, aber mit »schmerzverzerrtem Gesicht« – so The­resa – wurde sie auf eine quietschende Schaukel aufmerksam gemacht, eine beim Ballspiel geknickte Blume oder die etwas zu hohe Hecke. »Ich hatte manchmal das Gefühl, als seien wir Asoziale«, sagt Theresa, die aber auch einräumt, dass sie alles, was sie aus Nachbars Garten hörte oder was dort passierte, nur noch auf sich bezog. »Das kann einen echt krank machen« fügt sie hinzu. Ein Aspekt, den auch Dr. Sabine Voermans von der Techniker Krankenkasse betont. Mit den Nachbarn in Frieden zu leben, sei wichtig für die Gesundheit und das körperliche Wohl­befinden, denn »das eigene Heim sollte ein Ort sein, um Stress abzubauen und neue Kraft zu tanken«. Mediator Andi Schmid­bauer kann dem nur zustimmen. »Man muss nicht jeden lieben oder mögen« sagt er, »aber negative Gefühle schaden einem auch selbst.« Deshalb sei es wichtig, Konflikte nicht schwelen zu lassen, sondern sich die eigenen Anliegen klar zu machen und dann das offene Gespräch zu suchen.

Keine Lösung, aber ein Waffenstillstand

Theresa zog die Notbremse auf ihre Weise. »Von einem Tag auf den anderen habe ich beschlossen, meine Nachbarn völlig zu ignorieren. Kein Gruß, nichts mehr. Mir ging‘s schlagartig bes­ser, und sie haben mich auch nie mehr wegen irgend etwas angesprochen.« Mittlerweile sind die Kinder groß, im Garten herrscht überwiegend Ruhe. Die Lage hat sich entspannt. Seit Jahren sei es nun ein »friedliches« Nebeneinander, auch wenn manche darunter vielleicht etwas anderes verstehen mögen.

 

Top 5

Das empfiehlt Mediator Andi Schmidbauer um Konflikte zu vermeiden:

Nicht Sammeln

Drei Mal durchatmen und dann sofort Bescheid sagen. Auf keinen Fall mehrere Punkte ansammeln.

Freundlichkeit

Freundlich bleiben und in der Gegenseite nicht den Bösewicht vermuten. Ganz aufrichtig sagen, was man auf dem Herzen hat.

Dranbleiben

Nicht aufgeben, wenn der Nachbar erst einmal abwinkt. Dranbleiben und ein »Nein« nicht persönlich nehmen. Es ist kein »Nein« zu lhrer
Person, sondern zu dem Vorschlag.

Bitten

Nicht fordern, sondern bitten. ln der lch-Form reden: »Ich wünsche mir,...« statt »Sie machen immer...«.

Anliegen nennen

Das Anliegen zur Handlung nennen. Zum Beispiel: »lch würde mich jetzt gerne ein bisschen ausruhen, vielleicht könnten Sie lhre Bohrarbeiten um eine Stunde verschieben? Geht das?«

 

Andi Schmidbauer ist ebenfalls Autor von Beiträgen zu GFK und zu Mediation in Fachbü­chern und Fachzeitschriften, zuletzt: Konflikte lösen in Teams und großen Gruppen - manager Seminare Verlags GmbH


»(Nicht mehr) recht haben müs­sen – Erforschen der Gefühle und Bedürfnisse aus Sicht der GFK«, Beitrag in: Konflikte lösen in Teams und großen Gruppen S. 178-184 (managerSeminare Verlags GmbH, 2012).

 
 
 
 

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